Tante

Screenshot des digitalen Archivs

Screenshot des digitalen Archivs

Ausgangspunkt für dieses Projekt war eine persönlich erlebte, familiäre Situation. Meine damals 77jährige Großtante leidet unter dem sogenannten Messie-Syndrom, was ihr selbst nicht bewusst ist. Zu einem Zeitpunkt als sie den Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen konnte, veranlassten meine Eltern und ich die Wohnungsauflösung und den Umzug in ein Seniorenheim. Durch regelmäßige Besuche im Vorfeld, die ständige Diskussion mit den Eltern und dem Einblick in ihren privaten Besitz und ihre Lebensumstände, war mir die Dramatik des Geschehens bewusst.

Daraufhin begann eine Recherche, die zunächst in der Sammlung und Digitalisierung von Dokumenten aus dem Leben meiner Tante, wie z.B. sämtliche persönliche Fotos, Briefe, Kassetten, bestand. Später nahm ich Interviews mit meinen Eltern und ihr auf, hielt auch meine eigene Sichtweise der Geschichte auf Band fest und drehte schließlich ein Video in ihrer aktuellen Lebenssituation, die von Depression, Selbstzweifeln, Anklagen und Verlust der Lebensfreude gekennzeichnet ist. Dieses ungeschnittene Video überlagerte ich später mit den Ausschnitten der Interviews, wobei sich die Aussagen von meiner Tante und meinen Eltern über die Realität und die Umstände eklatant widersprechen. Ich selbst stehe in dem Video zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiver Beurteilung der Situation, als Beobachterin hinter der Kamera als auch als Mitfühlende davor und versuche meiner Tante einerseits Hoffnung zu vermitteln, was mir kaum gelingt und andererseits gezielt Fragen über die Sicht auf ihr Leben und ihre Selbstaufgabe zu stellen. Am Ende des Videos steht das Gebet zwischen mir und meiner Tante, gesprochen aus der Not der Situation heraus, als Höhepunkt der Dramaturgie und als transzendenter Ausblick auf eine Lösung der komplexen, seelischen Entwicklungen.

Aus der Unmenge an Material entwickelte ich eine Art multimediales Archiv, das ähnlich einer Homepage, navigierbar ist. Diese Sammlung kann sich der Betrachter nach persönlichem Interesse und ohne eine von mir vorgegebene didaktische Reihenfolge ansehen, wodurch er aufgefordert ist, selbst einen Einstieg in diesen Kosmos zu finden.